Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Unser hochmodernes Redaktionsgebäude

schön, dass Sie den Weg zu unserer Online-Präsenz gefunden haben!

Wir möchten uns an dieser Stelle bei denen, die den Berliner Herold vielleicht noch nicht kennen, kurz vorstellen.

Es begann im Jahre 1873 als sich in einem Berliner Schankhaus eine kleine Gruppe engagierter junger Männer und Frauen um Hans-Peter Schnabelbeck scharte.

An diesem Tag wurde die Idee geboren, eine politisch unabhängige, nicht den Interessen der Mächtigen untergeordnete Tageszeitung zu gründen. Damals ahnte natürlich noch niemand, dass dies der Beginn einer Erfolgsgeschichte wird, die von der kaiserlichen bis in die heutige Zeit andauern würde, und deren Ende noch lange nicht in Sicht ist.

Hans-Peter Schnabelbeck und seine Mitstreiter schickten sich nun an, die damalige Zeitungslandschaft zu revolutionieren. Weg von der Hofberichterstattung, hin zum freien, unabhängigen und investigativen Journalismus.

Vieles ist seitdem geschehen:

Eine original Mitterhofer-Schreibmaschine

Kosteten die ersten Ausgaben des Berliner Herold damals noch zwei Pfennig, zahlt man heute 60 Cent. Statt Blitzpulver und Stativ verwenden unserer Fotografen nun Digitalkameras und Laptops. Und das harte Schlagen der damals hochmodernen Mitterhofer-Schreibmaschinen ist dem sanften und leisen Geklapper von modernen PC-Tastaturen gewichen.

Auch die Redaktionsräume haben sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Einst provisorisch in einem alten Schlachthaus untergebracht, residiert unsere Redaktion nun in einem hochmodernen Glaspalast mitten im Herzen des neu erstarkten Berlins.

Die nikotingeschwängerte Luft in viel zu kleinen Räumen gehört ebenso der Vergangenheit an wie gezwirbelte Bärte, der elektrische Telegraph oder Mutter Schnabelbeck, die es sich nicht nehmen ließ, täglich die Truppe um ihr „Söhnchen“ zu bekochen.

Doch ich möchte nicht länger in Erinnerungen schwelgen. Kommen wir zum Hier und Heute:

Durch die Veränderungen der aktuellen Medienlandschaft, die von den konventionellen Printmedien zum allseits verfügbaren schnellen Internet führt, sehen auch wir uns zu gewissen Zugeständnissen gezwungen.

Sie kochte für die Gründerväter – Elfriede Schnabelbeck

Die Welt und die Menschen haben sich durch die zunehmende Technisierung nachhaltig verändert. Man informiert sich heutzutage online. Es wird gechattet, getwittert, und gemailt. Und wer sein Handy mal zu Hause vergisst, der fühlt sich nackt und unbeholfen. Anstatt eines sinnlich duftenden und persönlichen Briefs werden E-Mails und elektronische Grußpostkarten verschickt. Selbst der Liebsten wird nun nicht mehr per Kniefall ein Antrag gemacht: Sie erhält bestenfalls eine SMS oder schlimmer noch, ein widerlich lärmender Fernsehsender lädt sie dazu ein, sich vor Millionen von Voyeuren zum Trottel zu machen.

In solch einer Zeit müssen sich traditionelle Werte und moralische Standards scheinbar hinten anstellen. Sie passen einfach nicht mehr in das Konzept einer modernen Gesellschaft.

Aus diesem Grund wird nun auch der Berliner Herold mit der Zeit gehen und sich vor dem Menschen 2.0 moralisch prostituieren. Wir würden wohl sonst bald von der Realität  überholt und von der Fast-Food-Gesellschaft überrollt werden.

Was nutzten uns unsere Ideale und unsere hohe moralische Norm, wenn wir unsere Stimme gänzlich verlieren? Gewiss, nur eine rhetorische Frage. Fakt ist: Auch wenn wir es zutiefst bedauern, so kommen wir nicht umhin, nun auch elektronisch zu publizieren.

Schließlich ist auch durch Rezession und Wirtschaftskrise der Markt für klassische Printmedien erheblich geschrumpft. Die Einnahmen für Werbung gingen um mehr als 60% zurück. Analog dazu stiegen aber die Druck- und Personalkosten um fast 20%.

Vor 100 Jahren – Redaktionskonferenz

Um Entlassungen zu vermeiden haben wir uns nun schweren Herzens entschlossen, den Schritt ins Internetzeitalter mitzugehen.

Deswegen bieten wir jetzt auf diesem Portal den Berliner Herold auch für die Generation Internet an. Da wir uns selbst natürlich keine Konkurrenz machen möchten, wird dieses Angebot nicht täglich wie unsere gedruckte Ausgabe, sondern lediglich im Stil eines Wochenmagazins aufgebaut.

In der Hoffnung auf diesem Wege unsere Leser zu halten und vielleicht auch ein paar Neue zu finden, grüßt Sie auf das Allerherzlichste ihr

Wilhelm Voigt

Chefredakteur

Quellen:

  1. Norbert Schnitzler
  2. Reinraum
  3. Wikimedia Commons
  4. Wikimedia Commons