Skandalös: Ultraliberale wollen Konjunkturdichter-Profession legalisieren

Im Oktober 2013 rief Alice Schwarzer in der „Emma“ zu einem totalen Verbot der publikumsorientierten Dichterprofession auf, indem sie an ethische Maßstäbe erinnerte, die Käuflichkeit der Schriftsteller und die moralische Defizienz der Abnehmer als Symptom einer unmündigen Gesellschaft diskreditierte und die auf dem Buchmarkt vorherrschenden grausamen und menschenunwürdigen Bedingungen einer scharfen Kritik unterzog; als platonisches Ideal postulierte sie eine Gesellschaft ohne Konjunkturdichter.triumph-schreibmaschine

Nun regt sich in ultraliberalen Kreisen vehementer Protest gegen diese Forderung: es handle sich bei einem solchen Verbot um einen bevormundenden Eingriff in die Marktfreiheit. Es zeuge außerdem von Realitätsferne, die älteste aller Arten der Ausübung von Kulturberufen verbieten zu wollen – Mäzenatentum habe es schließlich immer schon gegeben, und wo es Mäzene gebe, da gebe es auch Metzen. Umgekehrt lancierten die Gegner von Schwarzers Restriktionsdenken, daß sie nun eine Charta ausarbeiten wollen, in welcher sie einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung konjunkturbasierter Dichterprofession empfehlen würden. Nicht nur könne die Entkriminalisierung und Kanalisierung der gesamten Branche durch Versteuerung zu fiskalen Profiten führen, sondern auch die Bedingungen ihrer Ausübung könnten besser kontrolliert werden. Sie werde in derart gelenkten Bahnen sogar im Sinne aristotelischer Metriopathie zur gesellschaftlichen Triebregulierung beitragen, wenn sie auf das ethisierte Schema von Verfehlung, Kulmination und Katharsis beschränkt bleibe.

Nicht zuletzt konnte sich diese ultraliberale Initiative auf Aussagen Betroffener stützen. Viele Textarbeiter fühlen sich durch Schwarzers „pseudomoralisches, bieder herablassendes Gutmenschen-Engagement“ (anonymer Textarbeiter) arg diffamiert und bevormundet. Die bei weitem meisten Modeskribenten, so heißt es in einer Stellungnahme, sind nicht etwa Opfer des Buchmarktes, die zu einer Existenz unterhalb der Armutsgrenze gezwungen, gesellschaftlich marginalisiert und daher bereit sind, schon gegen erbärmliche Tantiemen für jedes noch so vulgäre Verlagsgelüst die Hosen herunterzulassen; völlig selbstbewußt und ihrer innersten Natur gemäß folgen Hunderte von Textarbeitern nach eigenem Bekenntnis einem publikumsfokussierten und materialistisch fundierten Arbeitscredo – die Befriedigung eines möglichst großen Kundenkreises gegen finanziellen Lohn ist ihr erklärtes Ziel.

Doch auch die ultraliberale Reaktion blieb nicht ohne Widerspruch aus dem konservativen Lager, welches sich auf das Expertenurteil einer eigens berufenen Poetikkommission berief. Diese hatte befunden, das Gewerbe profitiere schamlos von der literarischen Unmündigkeit der Leserschaft und sei daher ein „Schandfleck unserer Gesellschaft“. Aller stilistische Eros und jede poetische Intimität werde von dieser Rumpoeterei in den Schmutz gezogen. „Die Horen müßten jetzt mit u gedruckt werden“, resümierte Bötticher.

 

© Lupo/Pixelio.de

© Marvin Siefke/Pixelio.de

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